Wasserwirtschaft attackiert Hessen-Grüne

Ver­stoß gegen EU-Recht, Ver­let­zung des Vor­sor­ge­prin­zips, Gefähr­dung von Grund­was­ser­schutz und Trink­was­ser­ver­sor­gung – die Vor­wür­fe der  Was­ser­wirt­schaft an die Adres­se der grü­nen hes­si­schen Umwelt­mi­nis­te­rin Pris­ka Hinz sind hef­tig. Es geht um den Kali-Konzern K+S und sei­ne „Entsorgungs“-Praktiken.

Mit einem gehar­nisch­ten „Offe­nen Brief“ hat sich die „Alli­anz der öffent­li­chen Was­ser­wirt­schaft“ (AöW) heu­te an die „sehr geehr­te Frau Minis­te­rin Hinz“ gewandt und gegen den so genann­ten Vier-Phasen-Plan pro­tes­tiert, den das Land Hes­sen Ende Sep­tem­ber gemein­sam mit K+S-Chef Nor­bert Stei­ner „zur dau­er­haf­ten Lösung der Salzabwasser-Problematik“ vor­ge­stellt hat – mit einem Rege­lungs­zeit­raum von mehr als 60 Jah­ren: Erst dann, so die Ver­laut­ba­rung Hes­sens, sol­len Wer­ra und Ober­we­ser „wie­der Süß­was­ser­qua­li­tät“ erreichen.

Die AöW ist die Inter­es­sen­ver­tre­tung der öffent­li­chen Was­ser­wirt­schaft. Der Alli­anz mit Sitz in Ber­lin gehö­ren bun­des­weit meh­re­re tau­send Ein­rich­tun­gen und Unter­neh­men der Was­ser­ver­sor­gung und Abwas­ser­ent­sor­gung in öffent­li­cher Hand, Wasser- und Boden­ver­bän­de, was­ser­wirt­schaft­li­che Zweck­ver­bän­de sowie Ein­zel­per­so­nen an. Die Lang­fris­tig­keit der geplan­ten Ver­ein­ba­rung bis 2075, so AöW-Geschäftsführerin Chris­ta Hecht in ihrem Schrei­ben an Hinz, bedeu­te nicht nur einen Ver­stoß gegen die Ziel­set­zun­gen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), son­dern bin­de auch künf­ti­ge Lan­des­re­gie­run­gen bezie­hungs­wei­se hin­de­re sie, bes­se­re und schnel­le­re Ent­sor­gungs­prak­ti­ken durchzusetzen.

Nach Anga­ben der AöW sieht die Ver­ein­ba­rung Hes­sens mit K+S vor, zwi­schen 2021 und 2032 eine Oberweser-Fernleitung zu betrei­ben und par­al­lel dazu die Untergrund-Versenkung von Salz­ab­was­ser zu been­den; erst danach sol­le bis 2060 eine kon­ti­nu­ier­li­che Hal­den­ab­de­ckung erfol­gen, bis 2075 wer­de dann wegen „Erschöp­fung der Lager­stät­ten“ die Kali­pro­duk­ti­on des Wer­kes Wer­ra ein­ge­stellt. Ins­be­son­de­re der von der hes­si­schen Umwelt­mi­nis­te­rin for­mu­lier­te Vor­satz, mit die­sem Plan die Ent­las­tung des Natur­raums Werra-Weser im Sin­ne der Umwelt und des euro­päi­schen Was­ser­rechts errei­chen zu wol­len, stößt bei der AöW auf Unverständnis:

Denn nach den Bestim­mun­gen der WRRL wären deren Ziel­set­zun­gen – unter ande­rem „guter Zustand“ von Flüs­sen, Seen, Küs­ten­ge­wäs­sern und Grund­was­ser – bis 2015 umzu­set­zen gewe­sen. Die WRRL gewährt zwar unter gewis­sen Bedin­gun­gen zwei auf jeweils sechs Jah­re befris­te­te Ver­län­ge­rungs­op­tio­nen, also bis 2021 oder spä­tes­tens bis 2027. Das hes­si­sche Vor­ha­ben, die Untergrund-Verpressung bis 2021 zu gestat­ten und erst dann bis 2032 suk­zes­si­ve zu been­den, bedeu­tet laut AöW aller­dings, dass die Vor­ga­ben der WRRL „in kei­nem Fal­le zu errei­chen“ sei­en. Ja, es sei sogar eine Ver­schlim­me­rung des Zustan­des der Gewäs­ser zu befürch­ten, was die WRRL gleich­falls aus­schließt („Ver­bes­se­rungs­ge­bot“ und „Ver­schlech­te­rungs­ver­bot“). Die­se Ver­pres­sungs­op­ti­on ist übri­gens, abseits des AöW-Schreibens, nach Anga­ben der Werra-Weser-Anrainerkonferenz (WWA) „beson­ders auf­fal­lend“, denn gera­de Hes­sen habe die­sen Ent­sor­gungs­weg bis­her wegen der Gefahr fort­ge­setz­ter Trink­was­ser­ver­nich­tung als „nicht geneh­mi­gungs­fä­hig“ ein­ge­stuft; in Thü­rin­gen sei die Lau­gen­ver­pres­sung schon vor Jah­ren unter­sagt worden.

Die AöW kri­ti­siert in ihrem Offe­nen Brief vor allem auch die lan­ge Lauf­zeit des geplan­ten Ver­tra­ges bis 2075. Nicht nur der amt­li­che Vor­satz, die Lösung der Salzabwasserentsorgungs-Problematik nicht fol­gen­den Gene­ra­tio­nen über­las­sen zu wol­len, wird von der Was­ser­wirt­schaft zurück­ge­wie­sen (das hier eigent­lich ange­brach­te Wort „zynisch“ wird von der höf­li­chen AöW-Geschäftsführung nicht ver­wen­det), es sei auch ange­sichts der lan­gen Rege­ne­ra­ti­ons­zei­ten von Grund­was­ser zu befürch­ten, dass selbst dann noch kein „guter Zustand“ zu errei­chen sei. Das „Vor­sor­ge­prin­zip“, so die AöW, habe bei­getra­gen zu einer Was­ser­ver­sor­gung auf inter­na­tio­nal hohem Niveau, dies gel­te es zu erhal­ten und zu sichern. Der geplan­te öffentlich-rechtliche Ver­trag Hes­sens mit K+S hin­ge­gen sei „kaum mit dem Vor­sor­ge­prin­zip zu vereinbaren“.

Als „unver­ständ­lich“ bezeich­net es die Was­ser­wirt­schaft in ihrem Schrei­ben an Hinz, dass ande­re Ent­sor­gungs­mög­lich­kei­ten für das Salz­ab­was­ser in der Kali­pro­duk­ti­on igno­riert wer­den. Ent­spre­chen­de Vor­schlä­ge von der Gewäs­ser­be­las­tung betrof­fe­ner Kom­mu­nen wür­den „ein­fach über­gan­gen“, auf umwelt­ver­träg­li­che­re Ver­fah­ren, wie sie selbst K+S etwa in Kana­da ein­set­ze, wür­de ver­zich­tet. Wenn K+S zwi­schen 2018 und 2021 Inves­ti­tio­nen in Höhe von 400 Mil­lio­nen Euro pla­ne, die zum erheb­li­chen Teil neue Gewäs­ser­be­las­tung bedeu­te­ten, müs­se dies als Vor­rang wirt­schaft­li­cher Inter­es­sen vor Umwelt- und Natur­schutz sowie vor Siche­rung der Was­ser­ver­sor­gung bewer­tet wer­den. Dies sei auch als Ver­stoß gegen eine Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts anzu­se­hen, das 1981 dem Grund­was­ser­schutz zur Siche­rung einer unge­fähr­de­ten Trink­was­ser­ver­sor­gung abso­lu­te Prio­ri­tät und voll­kom­me­nen Vor­rang vor wirt­schaft­li­chen Nut­zungs­in­ter­es­sen beschei­nigt habe.

Die AöW gibt sich, wie oben bereits ange­deu­tet, betont höf­lich und zurück­hal­tend und beschränkt sich daher auf „größ­te Beden­ken gegen­über einem sol­chen Ver­trag“ und auf die For­de­rung an Hinz, end­lich dem Schutz der Umwelt, der Natur, der Gewäs­ser und der Trink­was­ser­ver­sor­gung zum Durch­bruch zu ver­hel­fen. Die Gemein­de Ger­s­tun­gen als unmit­tel­bar Betrof­fe­ne ist da weni­ger zurück­hal­tend und fragt unter der Über­schrift „Sind die ‚Grü­nen‘ noch grün?“ die Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten der eins­ti­gen Öko-Partei, „ob sie
tat­säch­lich noch Umwelt­schutz­in­ter­es­sen ver­tre­ten oder ob sie für den Maxi­mal­pro­fit eines Kon­zerns ihre Umwelt­schutz­prin­zi­pi­en aufgeben“.

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