Nach einem Bericht der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ (DVZ) hat der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) davor gewarnt, die Meeresschutz-Rahmenrichtlinie (MSRL) der EU ohne Weiteres in nationales Recht zu überführen. Der Verband sieht „die Wettbewerbsfähigkeit der Fahrgebiete von Nord- und Ostsee“ gefährdet.
Beim Ausbau seewärtiger Zufahrten, so der ZDS weiter, sei auch zu bedenken, dass zwischen Wirtschaftlichkeit und Umwelt eine Abwägung stattfinden müsse. Erforderlich sei eine konkrete Folgeabschätzung mit einer tiefer gehenden Kosten-Nutzen-Analyse, bevor die Maßnahmenprogramme aufgestellt werden. Faszinierend: 2008 ist die MSRL auf europäischer Ebene verabschiedet worden – seither ist der Zeitplan ihrer Umsetzung bekannt. Erst jetzt aber, nach Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf der Maßnahmenprogramme Ende September, tun die Hafen- und Schifffahrts-Lobbyisten so, als seien sie über Nacht über’n Tisch gezogen worden: Auch der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat laut DVZ die MSRL bemäkelt und darauf verwiesen, eine Reihe der geplanten Maßnahmen sei nur mit hohem technischen oder bürokratischen Aufwand
durchführbar. wären. Laut VDR solle doch bitte maßgebende Institution für die internationale Seeschifffahrt die „International Maritime Organization“ (IMO) der Vereinten Nationen bleiben. – Keine Sorge, VDR: Das bleibt auch so, aber auf den Meeren geht es nun mal nicht nur um Euch!
Schon vor Veröffentlichung der Maßnahmenprogramme, über die in diesem Jahr die Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden ist, hatten sich – trotz vergleichsweise dürftiger Umweltmaßnahmen und nur weniger Einschränkungen für die Meeresnutzung – verstärkt Nutzerverbände zur MSRL positioniert. So hatten etwa die Fischereiverbände erreicht, dass Fischereimaßnahmen komplett aus der vorläufigen Maßnahmen-Liste gestrichen wurden. Und auch der jetzige ZDS-Widerstand hatte bereits ein Vorspiel: Laut der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV) wurde die MSRL bisher viel zu „ambitiös“ umgesetzt und nehme „wie bei der Umsetzung der WRRL“ – gemeint ist die Wasser-Rahmenrichtlinie der EU – viel zu wenig ökonomische Rücksicht. Von „massiven Einschränkungen“ durch die MSRL ist die Rede, immer wieder wird der Ruf laut, sie könne schifffahrtsbezogene Maßnahmen blockieren.
Bezeichnend ist übrigens, dass nach dem Bericht der DVZ auch die Präsidentin des
Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg, Monika Breuch-Moritz, „von der Richtlinie in der jetzigen Form wenig“ hält. Es gebe bei der deutschen Umsetzung lediglich die Kategorien guter oder schlechter Zustand, soll Breuch-Moritz geäußert haben, sie wünsche sich stattdessen eine feinere Abstufung und Harmonisierung in Europa. Das Blatt zitiert Breuch-Moritz mit den Worten: „Es wird zu sehr in Schwarz und Weiß gedacht.“
Aus Umweltschutzsicht ist das Maßnahmenprogramm der MSRL bei Weitem nicht geeignet, bis 2020 den guten Umweltzustand der Meeresgewässer herbeizuführen. In den kommenden sechs Monaten, während der Auswertung der Öffentlichkeitsbeteiligung, wird sich zeigen, ob Bund und Küstenländer ein Zeichen für Meeresumweltschutz setzen und wenigstens an diesem Maßnahmenprogramm festhalten wollen – oder ob sie sich wieder einmal von Wirtschaftsinteressen überrollen lassen und das Programm weiter kürzen.
Quelle (u. a.): „Deutsche Verkehrs-Zeitung“ (DVZ) vom 26. Oktober 2015
Mehr Infos zur MSRL auf der Webseite des BUND-Meeresschutzbüros