Der BUND-Landesverband Bremen hat gestern nach Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses angekündigt, gegen das Vorhaben eines Offshore-Terminals (OTB) in Bremerhaven klagen zu wollen. Der Beschluss war am 1. Dezember ergangen und in hanseatischer Arroganz trotz der öffentlich bekannten Zweifel für „sofort vollziehbar“ erklärt worden. Zuständig dafür war die Obere Wasserbehörde beim Bremer Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Joachim Lohse (Grüne). Prompt wurden noch am selben Morgen erste vorbereitende Baumaßnahmen gestartet.
WATERKANT hat die Kritik an dem Vorhaben, für das wertvolles Weserwatt vernichtet und mehrere hundert Millionen Euro Steuergelder verbaut werden sollen, immer geteilt und unterstützt (siehe auch Heft 3/2015, Seite 17 f.). Die Flusswatten im Süden Bremerhavens, die hier überbaut werden sollen, gehören zum Naturschutzgebiet Luneplate, das nach EU-Recht als Vogelschutz- und FFH-Gebiet anerkannt ist. Nebenbei: Große Teile der Luneplate haben ihren geschützten Status erst erhalten als „Ausgleichsmaßnahme“ für die Eingriffe im Norden der Stadt beim Bau der Erweiterungen des dortigen Container-Terminals.
Weil nach Naturschutzrecht solche Eingriffe unzulässig und allenfalls per Ausnahme möglich sind, müssen nach Auffassung des BUND vor allem solche Ausnahmegründe besonders geprüft werden – vor allem die Frage nach der Notwendigkeit des Vorhabens. Eben die aber ziehen nicht nur die Naturschützer in Zweifel: Die Gutachten, die der Senat (die Bremer Landesregierung) zur Begründung des Vorhabens vorgelegt hat, sind von mehreren Seiten, auch angesehenen Ökonomen, als unrealistisch bezeichnet worden.
Da ist von angeblichen Marktpotenzialen und von Wachstumserwartungen die Rede, die vom Bremerhavener Alltag längst überholt worden sind: Firmenpleiten und damit verbundene massive Job-Verluste kennzeichnen die tatsächliche Lage der Windkraftindustrie in der Stadt an der Wesermündung. Erst jüngst hatte der Siemens-Konzern sich entschieden, seinen geplanten Produktionsstandort für Offshore-Windkraft-Anlagen nicht in Bremerhaven, sondern in Cuxhaven zu bauen – weil dort nämlich genau dafür benötigte Hafenanlagen bereits seit Jahren existieren, wie Bremerhaven sie jetzt erst anpacken will. Der OTB soll ein Spezialhafen zur Unterstützung des Aufbaus ganzer Windparks werden, aber eben diese Funktion haben längst andere Häfen rund um die Nordsee übernommen.
Zwar träumen die Bremerhavener Kommunal- ebenso wie die Bremer Landes-Politik seit langem vom Projekt OTB – nur träumen sie diesen Traum weitgehend allein. Anfangs hieß es, in den OTB sollten keine öffentlichen Gelder investiert werden – Bremen ist schließlich Haushaltsnotlageland. Also wurde per Ausschreibung ein Privatinvestor gesucht, es fand sich keiner, die Ausschreibung wurde modifiziert wiederholt, es fand sich keiner. Also doch Steuergeld… – von 180 Millionen Euro ist die Rede: Obwohl diese Zahl von Anfang an, also schon seit Jahren, im Raume steht, beteuern die Planer heute, sie sei immer noch realistisch. Es wäre das erste öffentliche Bauvorhaben, dessen Kosten so planungsgetreu bleiben…
Anschließend haben die Bremer für ihr OTB-Vorhaben wiederum per Ausschreibung einen privaten Betreiber gesucht. Auch das ging, wie man an der Küste sagt, „in die Büx“ – kein Konzern zeigte sich interessiert. Am Ende ging der Zuschlag an den Terminalbetreiber BLG, das einst als „Bremer Lagerhaus-Gesellschaft“ firmierende Logistikunternehmen, das mehrheitlich dem Bremer Staat gehört. Schließlich gab es weitere Verzögerungen, weil die Planer von Anfang an die parallel von Bremen und Niedersachsen betriebene Weservertiefung in ihre Berechnungen einbezogen hatten. Nur dummerweise liegt die, ebenfalls wegen schwerer Planungsfehler und ebensolcher Zweifel am Bedarf, auf Grund gerichtlicher Baustopps „auf Eis“; ob das Verfahren in absehbarer Zeit zum Abschluss kommt und wenn ja, in welchem Detailumfang dann wo vertieft werden darf, ist ebenso offen wie die Folgen dieser Entwicklung für die OTB-Planung.
„Wir haben“, sagt BUND-Geschäftsführer Martin Rode, die für die Baudurchführung zuständige staatliche Hafengesellschaft „Bremenports bereits aufgefordert uns zuzusagen, dass bis zur Entscheidung im Eilverfahren keine Baumaßnahmen im Blexer Bogen erfolgen“. Das sei das Gebot für eine faire gerichtliche Eilentscheidung. Ob die Bremer wohl wissen, wie man Fairness buchstabiert?