Haftstrafe für Niels Stolberg

Der ehe­ma­li­ge Bre­mer Ree­der Niels Stol­berg, Grün­der des 2011 nach Insol­venz zer­schla­ge­nen „Beluga“-Schifffahrtskonzerns, soll laut heu­ti­gem Urteil für drei Jah­re und sechs Mona­te ins Gefäng­nis. Sei­ne Mit­an­ge­klag­ten, drei eins­ti­ge „Beluga“-Führungskräfte, erhiel­ten Bewährungsstrafen.

Zwar blieb die Wirt­schafts­straf­kam­mer des Bre­mer Land­ge­richts damit unter der For­de­rung der Ankla­ge, die vier­ein­halb Jah­re für Stol­berg ver­langt hat­te – eine Über­ra­schung ist das Straf­maß aber nicht (sie­he auch Mel­dung vom 22. Novem­ber 2017). Das Urteil erging wegen gemein­schaft­li­chen Kre­dit­be­trugs in 18 Fäl­len sowie wegen Untreue in beson­ders schwe­rem Fal­le. In der Urteils­be­grün­dung taucht das Stich­wort aus dem Schluss­plä­doy­er der Ankla­ge wie­der auf: Stol­berg habe ein „erheb­li­ches Maß an kri­mi­nel­ler Ener­gie“ gezeigt; für ein Straf­maß auf Bewäh­rung „ein­fach zu viel“.

Zwar ist das Urteil noch nicht rechts­kräf­tig, aber die Chan­cen einer Revi­si­on könn­ten gedämpft wer­den durch eine even­tu­ell ver­gleich­ba­re, gel­ten­de Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes (BGH): Das Karls­ru­her Gericht hat für Fäl­le von Steu­er­hin­ter­zie­hung in Höhe von mehr als einer Mil­li­on Euro in zwei Urtei­len 2008 und 2012 eine Haft­stra­fe für zwin­gend erklärt. Im „Beluga“-Verfahren geht es um einen mitt­le­ren drei­stel­li­gen Millionenbetrag.

In 68 Ver­hand­lungs­ta­gen und knapp 26 Mona­ten Pro­zess­dau­er hat von den vier Ange­klag­ten immer nur Niels Stol­berg im Blick­punkt der Öffent­lich­keit gestan­den. Der Ex-„Beluga“-Chef war eben nie­mals nur ein­fach der Ree­der, son­dern in Bre­men und umzu immer auch ein „Vor­zei­ge­un­ter­neh­mer“, Mäzen und Medi­en­star. Stol­berg hat­te „Belu­ga“ mit einer Flot­te von 72 moder­nen Schif­fen aus einer Nische her­aus zum Welt­markt­füh­rer der Projekt- und Schwer­gut­schiff­fahrt gemacht. Er hat­te muti­ge wie skur­ri­le Pro­jek­te ange­scho­ben, hat­te etwa das mit einem Segel­zu­satz­an­trieb aus­ge­stat­te­te Schiff „Belu­ga Sky­sails“ eben­so medi­en­wirk­sam ver­mark­tet wie sei­ne Ver­su­che, West-Ost-Verkehre über die ark­ti­sche Nordost-Passage zu orga­ni­sie­ren. Die­se Akti­vi­tä­ten brach­ten ihn eben­so in die Schlag­zei­len wie sein Mäze­na­ten­tum für Wer­der Bre­men, wie Hilfs­pro­jek­te im tsunami-geschädigten Thai­land, Finan­zie­rung nau­ti­scher Bil­dungs­ein­rich­tun­gen etwa in Els­fleth (Unter­we­ser) oder umstrit­te­ne Kul­tur­för­de­rung auf der Nord­see­insel Spie­ker­oog – oder wie dubio­se Ver­wick­lun­gen etwa in Rüs­tungs­ge­schäf­te und Spionageaffären.

Nach der Schiff­fahrts­kri­se 2008 hat­te er sich mit dem US-Finanzinvestor Oakt­ree Capi­tal Manage­ment eine so genann­te „Heu­schre­cke“ an Bord geholt. Anfang 2011 hat­ten des­sen Mana­ger fri­sier­te Bilan­zen ent­deckt, Stol­berg davon­ge­jagt, Anzei­ge erstat­tet, Insol­venz ange­mel­det und die Ree­de­rei zer­schla­gen. Im fünf Jah­re spä­ter nach umfang­reichs­ten und schwie­ri­gen Ermitt­lun­gen begon­ne­nen Pro­zess wur­de dann offen­bar, dass Stol­berg nicht nur bei der Finan­zie­rung von Schiffs­neu­bau­ten mit ver­ab­re­det über­höh­ten Prei­sen getrickst, son­dern auch Rech­nun­gen gefälscht und die Auf­trags­bü­cher sei­nes ver­schach­tel­ten Firmen-Imperiums rech­ne­risch auf­ge­bläht haben soll.

Am Ende konn­ten selbst sei­ne ver­sier­ten Ver­tei­di­ger aus der Kanz­lei des Pro­mi­nen­ten­an­walts Hanns-W. Fei­gen nicht mehr tun als recht­fer­ti­gend schön­zu­re­den, was ihrem Man­da­ten vor­ge­wor­fen wur­de. Niels Stol­berg hat­te bis zuletzt gebe­ten, ihn mit Bewäh­rung davon kom­men zu las­sen. Er habe alles nur fürs Unter­neh­men getan und nun Lebens­werk und Pri­vat­ver­mö­gen ver­lo­ren. In Bre­men, wo man ihn einst fei­er­te, gibt es dazu wider­sprüch­li­che Reak­tio­nen: Man­che for­dern, Jus­ti­tia möge dem (inzwi­schen schwer­kran­ken) Ver­lie­rer Gna­de erwei­sen, ande­re erin­nern dar­an, dass Stol­berg etwa bei Immo­bi­li­en­ge­schäf­ten auf Spie­ker­oog oder durch umstrit­te­nes Mäze­na­ten­tum den eige­nen Vor­teil immer im Blick gehabt habe.

Fest­steht, dass Ban­ken, Anle­ger und Dienst­leis­ter von dem in Pri­vat­in­sol­venz leben­den Stol­berg noch rund 2,2 Mil­li­ar­den Euro fordern.

Nach­trag: Aus­führ­lich in unse­rer Aus­ga­be 1 / 2018, Sei­te 37 f.

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WATERKANT-Redaktion