Big Business Crime – an, auf und in den Meeren? (3)

Häfen-Investitionen: „Unwirk­sam und nicht nachhaltig“

Von Burk­hard Ilschner*

TTIP, Latein­ame­ri­ka, Süd­afri­ka, Ban­gla­desch, Euro-Krise, FIFA, Ukrai­ne, Waf­fen­han­del, Dro­gen­ge­schäf­te, Sozi­al­ab­bau, Über­wa­chungs­staat, Gift­gas oder Organ­han­del – nahe­zu jedes The­ma die­ser Zeit­schrift ist irgend­wie ver­knüpft mit oder abhän­gig von dem so genann­ten mari­ti­men Sek­tor. BIG stellt die­se eben­so viel­fäl­ti­ge wie sub­ven­ti­ons­hung­ri­ge Bran­che in einer losen Artikel-Serie vor (1). In die­ser Fol­ge geht es um die See­hä­fen und ihre teu­re Kon­kur­renz unter­ein­an­der.[Vor­spann aus der Zeit­schrift BIG Busi­ness Crime, ISSN 1861-6526, 4/2016, S. 17]

Ein Schiff wird kom­men…“ – Schla­ger ver­gan­ge­ner Zei­ten haben die Häfen (all­zu) häu­fig als Begegnungs-, Abschieds- und Wiedersehens-Punkte besun­gen. Aber die­se so genann­te Seefahrts-Romantik, wenn es sie denn je wirk­lich gege­ben hat, ist längst Ver­gan­gen­heit: Schiff­fahrt und Hafen­ar­beit waren Kno­chen­jobs und sind es über­wie­gend bis heu­te, gepaart mit vie­len per­sön­li­chen Ent­beh­run­gen. Und wann immer Letz­te­re die Betrof­fe­nen dazu gebracht haben mögen, auch mal „über die Strän­ge“ zu schla­gen – spä­tes­tens seit Ende der 1970er Jah­re ist jene Ära vor­bei, in der Schif­fe von gro­ßer Fahrt kamen, die See­leu­te „die Taschen … vol­ler Geld“ (2) hat­ten und, nach lan­gen Wochen an Bord, rund um den Hafen Abwechs­lung such­ten. Lie­ge­zei­ten auch gro­ßer Schif­fe bemes­sen sich heu­te oft nur nach Stun­den, sel­ten nach weni­gen Tagen. Die Zeit­tak­tung lässt den See­leu­ten kaum mehr Gele­gen­heit für ver­gnüg­li­che oder erhol­sa­me Landgänge.

Stau­en (Bela­den) und Löschen (Ent­la­den) der Schif­fe war frü­her über­wie­gend Hand­ar­beit, allen­falls unter­stützt von ein paar Krä­nen. Es war ein Job für Spe­zia­lis­ten – je nach Waren- und / oder Verpackungs-Art: Für Säcke waren ande­re Regeln zu beach­ten und Hand­grif­fe zu beherr­schen als für Kis­ten oder Fäs­ser. Mit dem Con­tai­ner als Trans­port­be­häl­ter für unter­schied­lichs­te Stück­gü­ter änder­te sich das. Im Früh­jahr die­ses Jah­res jähr­te sich die Ankunft der ers­ten Blech­box in einem deut­schen Hafen (Bre­men) zum 50. Male (3). Zunächst setz­te sich der Uni­ver­sal­be­häl­ter nur lang­sam durch, bis die mit der so genann­ten Glo­ba­li­sie­rung ein­her­ge­hen­de welt­wei­te Arbeits­tei­lung sei­nen Sie­ges­zug besiegelte.

Obwohl der Con­tai­ner nicht nur die Schiff­fahrt und die Hafen­ar­beit, son­dern die gesam­te Logis­tik­ket­te radi­kal ver­än­dert hat – das aller­dings ist ein ande­res The­ma –, setzt die Arbeit an den Kajen und in den Häfen nach wie vor gute Aus­bil­dung sowie teil­wei­se hohe, wenn­gleich inzwi­schen krass ver­än­der­te Qua­li­fi­ka­tio­nen vor­aus. Nicht nur im Zuge der Auto­ma­ti­sie­rung gera­de im Con­tai­ner­um­schlag haben sich die Berufs­bil­der hier eben­so wie in ande­ren Berei­chen radi­kal gewan­delt – und die Arbeits­be­din­gun­gen wur­den dras­tisch ver­schärft (4).

Aber in die­sem Bei­trag soll es weder um Hafen­ar­beit gehen noch um die struk­tu­rell prä­gen­de Rol­le von Häfen für küs­ten­na­he Regio­nen oder Stadt­tei­le. Klar ist: Ohne Häfen wäre Schiff­fahrt in gleich wel­cher Form undenk­bar, denn schließ­lich muss es Orte geben, wo Ladung ver­schie­de­ner Ver­sen­der gesam­melt und an Bord geschafft – oder umge­kehrt von Bord geholt und in der Regi­on oder dar­über hin­aus ver­teilt wird. Häfen sind heu­te moder­ne Logis­tik­zen­tren, in denen Mensch und Maschi­ne zu funk­tio­nie­ren haben.
In Deutsch­land wer­den Häfen von der öffent­li­chen Hand gebaut, also auch finanziert.

Wäh­rend für die Was­ser­we­ge die Wasser- und Schiff­fahrts­stra­ßen­ver­wal­tung des Bun­des zustän­dig ist (5), sind die Häfen als Infra­struk­tur­ob­jek­te Eigen­tum der jewei­li­gen Kom­mu­nen und/oder Bun­des­län­der; dies gilt auch für die Anbin­dung an Stra­ße oder Schie­ne. Krä­ne, Schup­pen und ande­re land­sei­ti­ge Ein­rich­tun­gen, die gesam­te so genann­te Supra­struk­tur, kön­nen in öffent­li­cher oder pri­va­ter Hand sein. Das betrifft sowohl den Bau als auch Betrieb und Unter­halt – aller­dings flie­ßen hier, selbst wenn es sich um pri­va­te Betrei­ber han­delt, immer wie­der auch öffent­li­che Gel­der, weil ja der jewei­li­ge Hafen so wich­tig ist: Es ist kein Hafen bekannt, in dem Pri­va­te kos­ten­de­cken­de Pacht zah­len – meist obliegt der Betrieb ohne­hin einer Hafen­ge­sell­schaft, die ganz oder min­des­tens über­wie­gend in öffent­li­cher Hand ist.

Häfen sind übri­gens auch Sperr­zo­nen für die Öffent­lich­keit gewor­den: Wäh­rend es frü­her nahe­zu jedem weit­ge­hend pro­blem­los mög­lich war, in die Hafen­area­le zu spa­zie­ren oder sie zu durch­que­ren und sich ein Bild von dem hek­ti­schen Trei­ben zu machen, sind die Häfen heu­te kom­plett abge­schot­tet. Das begann lang­sam schon vor Jahr­zehn­ten und ist seit 2006 unter dem zur „Ter­ro­ris­mus­ab­wehr“ geschaf­fe­nen „Inter­na­tio­nal Ship and Port Faci­li­ty Secu­ri­ty Code“ (ISPS) sys­te­ma­tisch und flä­chen­de­ckend umge­setzt wor­den – zum Nach­teil nicht nur der Öffent­lich­keit, son­dern auch der ein­kom­men­den See­leu­te (6). Nie­mand kann heu­te noch ein Hafen­are­al betre­ten, ohne sich zuvor einer Über­prü­fung sei­ner Per­so­nen­da­ten unter­zo­gen und eine unmit­tel­ba­re Not­wen­dig­keit des Zugangs nach­ge­wie­sen zu haben.

Das Hafen­ge­sche­hen ist somit ein beträcht­li­ches Stück unkon­trol­lier­ba­rer gewor­den; böse Zun­gen behaup­ten sar­kas­tisch, dies sei – Ter­ror hin oder her – durch­aus im Sin­ne der Hafen­be­trei­ber und der Ree­der: The­ma die­ses Bei­trags ist vor allem die Finan­zie­rung der Ent­wick­lung, des Baus und des Betriebs sol­cher Häfen. Denn wie in ande­ren Berei­chen der mari­ti­men Wirt­schaft sind es auch hier Sub­ven­tio­nen, steu­er­li­che „Erleich­te­run­gen“ und öffent­li­che För­der­gel­der, die seit Jahr­zehn­ten in den Aus­bau bestehen­der oder den Auf­bau neu­er Hafen­an­la­gen flie­ßen – samt allem, was deren Funk­ti­ons­fä­hig­keit bestimmt (7). Vie­le Mil­li­ar­den Euro Steu­er­gel­der wer­den hin­ein gepumpt – man kann auch sagen: ver­schleu­dert. Die offi­zi­el­le Argu­men­ta­ti­on behaup­tet immer wie­der, Bau, Unter­halt und Betrieb von Häfen als (sie­he oben) not­wen­di­gen Schnitt­stel­len zur ver­sor­gen­den Schiff­fahrt lägen „im öffent­li­chen Inter­es­se“. Tat­säch­lich aber wird hier eine Infra­struk­tur vor­ge­hal­ten zum fast aus­schließ­li­chen pro­fi­ta­blen Nut­zen einer Bran­che: Nicht nur Pach­ten pri­va­ter Betrei­ber, auch Hafen- und Nut­zungs­ge­büh­ren, die die Schiff­fahrt zu ent­rich­ten hat, lie­gen weit nied­ri­ger als eine Kos­ten­de­ckung es erfor­dern würde.

Es ist vor allem die Ver­fil­zung von öffent­li­chen und pri­va­ten Inter­es­sen und Zustän­dig­kei­ten, die das Hafen­ge­schäft für Lai­en schwer bis nicht durch­schau­bar macht. Selbst­ver­ständ­lich bedeu­tet ein See­ha­fen für eine Kom­mu­ne eine Schnitt­stel­le zu min­des­tens über­re­gio­na­len, meist aber glo­ba­len Wirt­schafts­struk­tu­ren. Und es ist unstrit­tig, dass der­ar­ti­ge Ver­net­zung durch­aus Vor­tei­le für die loka­le und regio­na­le Ent­wick­lung mit sich brin­gen kann – Gewerbe- und Indus­trie­an­sied­lung, Ver­ar­bei­tung und Dis­tri­bu­ti­on, Ver- und Ent­sor­gung schaf­fen Wirt­schafts­kraft und Arbeitsplätze.

Sicher ist jedoch auch: Ohne die Ver­bin­dun­gen, die hie­si­ge Häfen mit ande­ren Stand­or­ten irgend­wo auf der Welt ermög­li­chen, wäre die so genann­te Glo­ba­li­sie­rung nie mög­lich gewe­sen. Aus­beu­tung in den Län­dern der Drit­ten Welt zuguns­ten hie­si­ger Wirt­schafts­zen­tren wäre ohne die öffent­lich hoch sub­ven­tio­nier­ten Sammel- und Ver­teil­zen­tren rund um die Häfen nicht annä­hernd so lukra­tiv. Kein Ree­der, der neben wür­di­gen Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen an Bord umwelt- und sozi­al­ver­träg­lich gebau­ter und betrie­be­ner Schif­fe – gäbe es dies alles denn – auch noch kos­ten­de­cken­de Gebüh­ren für Nut­zung von Was­ser­we­gen und Häfen bezah­len müss­te, wür­de sich betei­li­gen an einem logis­ti­schen Zir­kus, wie das berühm­te Bei­spiel des T-Shirts es beschreibt, das von der Faser bis zur Ver­mark­tung eini­ge zig­tau­send Kilo­me­ter über den Glo­bus Zick­zack fährt (8).

Hier und jetzt soll geht es nicht die Rede um öko­lo­gi­sche Fak­to­ren wie den Flä­chen­fraß etwa der Container- oder Kraftfahrzeug-Stauerei; auch die Luft­be­las­tung durch Schiffs­ab­ga­se gehört an ande­rer Stel­le pro­ble­ma­ti­siert. Wenn jedoch ein über­wie­gend öffent­lich finan­zier­ter Hafen durch sei­ne ver­net­zen­de Wir­kung ein­zel­nen Bran­chen oder Unter­neh­men mas­si­ve Vor­tei­le bringt, wäh­rend die Risi­ken prin­zi­pi­ell der öffent­li­chen Hand über­las­sen blei­ben, liegt es im Kern des herr­schen­den Wirt­schafts­sys­tems, dass die Gier nach Mehr alle Skru­pel aus­he­belt. Und das meint nicht nur die Gier der betei­lig­ten Wirt­schaft – es meint auch das hem­mungs­lo­se Ver­hal­ten öffent­li­cher Insti­tu­tio­nen wie Poli­tik und Ver­wal­tung, deren Ver­tre­ter bis heu­te für kei­ne Fol­gen ihres Tuns fühl­bar haften.

Wenn etwa der eige­ne Hafen stark ist im Mas­sen­gü­ter­um­schlag, der Hafen neben­an aber durch Con­tai­ner­um­schlag stär­ker pro­fi­tiert, wird hier sogleich nach Aus­bau des eige­nen Hafens für Abfer­ti­gung bei­der Güter­ar­ten geru­fen. Wenn der Hafen neben­an sich bes­ser plat­ziert, weil er grö­ße­re Schif­fe abfer­ti­gen kann, wird hier der Aus­bau des eige­nen Hafens und meist auch der Was­ser­we­ge gefor­dert – gesche­he dies nicht, so das Geschrei, dro­he der Unter­gang im regio­na­len Wett­be­werb. Es ist der gege­be­nen Struk­tur mit Häfen im vor­wie­gend kom­mu­na­len Eigen­tum geschul­det, dass die­se Argu­men­ta­ti­on unge­bro­chen funktioniert.

Unge­ach­tet allen – par­don! – poli­ti­schen Geschwa­fels von Ver­stän­di­gung auf regio­na­ler, bila­te­ra­ler oder euro­päi­scher Ebe­ne kommt im Den­ken und Han­deln der meis­ten Kom­mu­nen, ihrer Reprä­sen­tan­ten und Ver­wal­tun­gen eines nicht vor: die Opti­on einer mehr oder weni­ger groß­räu­mi­gen Zusam­men­ar­beit. Hafen­po­li­tik in Deutsch­land und – min­des­tens über­wie­gend – in Euro­pa ist geprägt von manch­mal gera­de­zu mit­tel­al­ter­lich anmu­ten­der „Bürgermeister-Konkurrenz“. Unge­ach­tet aller Pro­ble­me öffent­li­cher Haus­hal­te und struk­tu­rel­len Ent­wick­lun­gen, unge­ach­tet aller Wirt­schafts­kri­sen oder öko­lo­gi­schen Risi­ken – trotz jahr­zehn­te­lan­ger War­nun­gen herrscht noch immer ein oft klein­li­cher, aber gna­den­lo­ser Wett­be­werb ein­zel­ner Stand­or­te. Das gilt für unmit­tel­ba­re Nach­barn eben­so wie für über­re­gio­na­le Konkurrenten:

– Wenn etwa der Hafen in Emden aus­ge­baut wird, schreit – im bild­li­chen Sin­ne – Leer nach Gleich­be­hand­lung; wird Stade-Bützfleth moder­ni­siert, darf Bruns­büt­tel nicht hinterherhinken;
– wenn Ham­burg unter Milliarden-Aufwand Hun­der­te Men­schen eines gan­zen Dor­fes (Alten­wer­der) umsie­delt und die­ses anschlie­ßend platt­macht, um sei­nen Hafen zu erwei­tern, ver­län­gert Bre­men sei­ne Con­tai­ner­ka­je am Meer bis vor die Tore eines dor­ti­gen Dor­fes (und nur die Lan­des­gren­ze bremst wei­te­ren Ausbau);
– wenn Bre­men und Nie­der­sach­sen gemein­sam eine Weser­ver­tie­fung pla­nen, for­dert Ham­burg eine wei­te­re Elb­ver­tie­fung – und so weiter.

Wobei im letzt­ge­nann­ten Fal­le nicht nur der Wett­be­werb unter­ein­an­der eine Rol­le spielt: Ohne die unmit­tel­ba­re Kon­kur­renz aus dem Auge zu ver­lie­ren, kön­nen die Weser- und Elb-Hanseaten auch sehr gut an einem gemein­sa­men Strang zie­hen unter Hin­weis auf den Wett­be­werb mit den so genann­ten ARA-Häfen – das Kür­zel meint Ams­ter­dam und Rot­ter­dam sowie das bel­gi­sche Ant­wer­pen. Und das schlägt dann auch bis zur Bun­des­ebe­ne durch und fin­det sich im Natio­na­len Hafen­kon­zept 2015 wie­der – ohne die besag­ten Ver­tie­fun­gen wür­den Ham­burg und Bre­mer­ha­ven „abge­kop­pelt“, heißt es da: „In die­sem Fall wären eine Ver­la­ge­rung der Ver­keh­re nach Rot­ter­dam und Ant­wer­pen und zuneh­men­de Land­ver­keh­re zu befürch­ten“ (9).

Eine dop­pelt kru­de Argu­men­ta­ti­on – weder ist sie halt­bar noch ist sie tot­zu­krie­gen. Seit Jahr­zehn­ten wird sie allen Kri­ti­kern aller Hafenausbau- und ande­rer Infra­struk­tur­plä­ne um die Ohren gehau­en, obwohl sie nicht der Rea­li­tät ent­spricht. Die wich­tigs­ten Verkehrs- und Güter­strö­me der ARA-Häfen lau­fen tra­di­tio­nell nach Groß­bri­tan­ni­en, Nord­frank­reich, Ruhr­ge­biet, Rhein-Main sowie Schweiz und Nord­ita­li­en – die Hin­ter­land­ver­keh­re der gro­ßen deut­schen Häfen ori­en­tie­ren sich über­wie­gend nach Süd­deutsch­land, Öster­reich, Ost- und Süd­ost­eu­ro­pa sowie Skan­di­na­vi­en. Selbst in amt­li­chen Pro­gno­sen für die nahe Zukunft (2025) wur­de dies noch 2007 im Wesent­li­chen bestä­tigt (10). Zwar gibt es immer wie­der punk­tu­el­le Ver­schie­bun­gen und tem­po­rä­re Ver­la­ge­run­gen, auch aktu­ell – nur recht­fer­ti­gen die kei­nen Aus­bau hie­si­ger Häfen auf Steu­er­zah­ler­kos­ten, oft unter Inkauf­nah­me mas­si­ver Überkapazitäten.

Nur kurz und bei­spiel­haft sei­en an die­ser Stel­le eini­ge Aspek­te erwähnt, die der­ar­ti­ge Ver­schie­bun­gen ver­ur­sa­chen oder prä­gen können:

– Es ist Teil die­ser Argu­men­ta­ti­on (gera­de mit Blick auf die ange­streb­ten Fluss­ver­tie­fun­gen, sie­he unten), dass gro­ße Schif­fe in den ARA-Häfen Tei­le ihrer Ladung löschen müss­ten, weil sie hie­si­ge Häfen mit ihrem Tief­gang sonst nicht errei­chen könn­ten. Ohne hier nau­ti­sche oder logis­ti­sche Details zu erläu­tern: Dies mag in sel­te­nen Ein­zel­fäl­len (11) zutref­fen, im Prin­zip ist es Blöd­sinn, denn die Ladungs­ver­tei­lung auf ver­schie­de­ne Häfen basiert auf ganz ande­ren Kri­te­ri­en – hun­dert Ton­nen oder Boxen mehr recht­fer­ti­gen kei­nen mil­lio­nen­teu­ren Aus­bau. Das gilt nicht nur für Con­tai­ner­schif­fe, die tau­sen­de Boxen mit Gütern für tau­sen­de Emp­fän­ger an hun­der­ten Stand­or­ten trans­por­tie­ren, son­dern längst auch für Mas­sen­gut­frach­ter. Schif­fe, die im inter­kon­ti­nen­ta­len Ver­kehr mit gro­ßem Tief­gang die Ozea­ne que­ren, löschen / laden in Euro­pa etap­pen­wei­se, ver­rin­gern / stei­gern also von Hafen zu Hafen ihren Tief­gang und damit ihren Bedarf an Fahrwassertiefe.

– – Ein zusätz­li­cher Hin­weis, nur am Ran­de: Die in die­sem Bei­trag mehr­fach erwähn­ten, geplan­ten Fluss­ver­tie­fun­gen von Weser und Elbe sind seit vie­len Jah­ren hef­tig umstrit­ten. Zur Weser-Vertiefung ist soeben ein Urteil vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) ergan­gen, zur Elb-Vertiefung wird das­sel­be Gericht vor­aus­sicht­lich noch in die­sem Jahr ent­schei­den. Die Details die­ser Aus­ein­an­der­set­zun­gen wür­den den Rah­men die­ses Tex­tes erheb­lich spren­gen (12). Daher an die­ser Stel­le nur der Hin­weis: Obwohl die Rich­ter im Fal­le der geplan­ten Weser-Vertiefung der Form hal­ber auf „rechts­wid­rig“ erkannt haben, wer­den die Bedarfs-Prognosen der Pla­ner weit­ge­hend kri­tik­los über­nom­men; wes­halb die­sen höchst­rich­ter­lich zuge­stan­den wird, ihre feh­ler­haf­te Pla­nung nach­bes­sern zu dür­fen. Soll hei­ßen: Die amt­li­che Pro­pa­gan­da der Steu­er­ver­schwen­der „wirkt“ bis hin zum BVerwG.

– Es gehört auch zu die­sem Propaganda-Repertoire, dass die Häfen sich ja den wach­sen­den Schiffs­grö­ßen anpas­sen müss­ten, um im Wett­be­werb bestehen zu kön­nen. Auch dies ist eine Pseudo-Wahrheit, denn eigent­lich müss­te kein Hafen – und damit die öffent­li­che Hand – sich sol­chen, oft mit Dro­hun­gen ver­knüpf­ten For­de­run­gen der Ree­der beu­gen. Schließ­lich hän­gen die­se ihrer­seits bekannt­lich selbst an den staat­li­chen Sub­ven­ti­ons­töp­fen (1). Eine gesamt­staat­lich koor­di­nier­te Hafen­po­li­tik könn­te dem also schnell einen Rie­gel vor­schie­ben nach dem ein­fa­chen Mot­to: Wer zahlt, bestimmt die Nor­men. Lei­der ist das Gegen­teil der Fall, bis­lang ver­weist – Bürgermeister-Konkurrenz! – ein Hafen auf den ande­ren: Der da gibt den Ree­dern nach, also müs­sen wir auch…

In jüngs­ter Zeit aller­dings wer­den die Zwei­fel lau­ter, ob die­ses nicht enden wol­len­de Schiffs­grö­ßen­wachs­tum auf Dau­er auch ver­nünf­tig ist: Das Inter­na­tio­na­le Transport-Forum der OECD leg­te im Früh­jahr 2015 eine umfang­rei­che Stu­die vor, die die­se Ent­wick­lung kri­ti­siert (13); kurz zuvor warn­te bereits der Allianz-Konzern vor stei­gen­den Versicherungs-Risiken (14); und lokal zählt etwa der Bre­mer Nautik-Professor Ulrich Mal­chow zu den nam­haf­ten Kri­ti­kern die­ses Erpressungs-Karussells und bezwei­felt Sinn und Nut­zen die­ses Grö­ßen­wahns (15).

– Viel gefähr­li­cher gera­de für deut­sche Häfen ist eine ande­re, selbst ver­schul­de­te Ent­wick­lung: Seit Jah­ren sind meh­re­re Ost­see­hä­fen so mas­siv aus­ge­baut wor­den, dass selbst Con­tai­ner­rie­sen – die, sie­he oben, am Ende / Anfang ihrer Interkontinental-Routen nie voll abge­la­den fah­ren, also auch kei­ne maxi­ma­len Tief­gän­ge haben – dort pro­blem­los löschen / laden kön­nen. Ein wesent­li­ches Geschäft hie­si­ger Häfen war es bis­lang, im Fernost- oder Trans­at­lan­tik­ver­kehr ein- oder aus­ge­hen­de Fracht zu ver­tei­len oder zu sam­meln: Klei­ne­re, so genann­te „Feeder“‑Schiffe brin­gen oder holen Con­tai­ner etwa aus dem Ost­see­raum nach oder von Ham­burg oder Bre­mer­ha­ven. Wenn also der Eurogate-Konzern – an dem der staat­li­che Bre­mer Logis­ti­ker BLG zur Hälf­te betei­ligt ist – im rus­si­schen Ust Luga einen Con­tai­ner­ha­fen baut, der von Mega-Carriern via Ska­gen direkt ange­lau­fen wer­den kann, schä­digt er damit unmit­tel­bar sei­ne eige­nen Geschäf­te in Bre­mer­ha­ven eben­so wie im bremisch-niedersächsischen Tief­was­ser­ha­fen Jade­We­ser­Port (JWP) oder auch in Ham­burg. Mit Blick auf den eben­falls aus­ge­bau­ten Hafen von Gdansk schreibt die Tages­zei­tung „Die Welt“ bedau­ernd: „Mit jedem Con­tai­ner, der nicht in Ham­burg umge­la­den wird, ver­liert der größ­te deut­sche See­ha­fen zwei Kran­be­we­gun­gen: vom See­schiff auf den Kai und von dort auf den Fee­der“ (16).

– Noch schwe­rer wie­gen­de Fol­gen für die deut­schen Uni­ver­sal­hä­fen wird es haben – Ten­den­zen zeich­nen sich bereits ab –, wenn im Mit­tel­meer­raum der längst begon­ne­ne Aus­bau der Con­tai­ner­hä­fen wei­ter vor­an­ge­trie­ben wird. In einer vom Juli 2015 stam­men­den Über­sicht wer­den für die Häfen von Tan­ger bis Pirä­us für das Jahr 2014 Con­tai­ner­um­schlags­ka­pa­zi­tä­ten von 35,1 Mil­lio­nen TEU bilan­ziert. Bis 2020 soll­ten es die­ser Auf­stel­lung nach schon gut 15 Pro­zent mehr wer­den, knapp 41 Mil­lio­nen TEU – mög­li­cher­wei­se muss die­se Zahl inzwi­schen noch nach oben kor­ri­giert wer­den (17). In Ver­bin­dung mit dem erwei­ter­ten Suez-Kanal und dem Aus­bau der kon­ti­nen­ta­len euro­päi­schen Trans­port­tras­sen kann dies bis­he­ri­ge Güter­ver­kehrs­strö­me mas­siv ver­än­dern. Vie­le Boxen, die frü­her ihren Weg von ARA- oder deut­schen Nordsee-Häfen gen Süden nah­men, könn­ten künf­tig von Süd nach Nord ver­teilt wer­den. Und auch hier spie­len öffent­li­che Gel­der und Kapi­tal­trans­fers eine wesent­li­che Rol­le – ob man nun das direk­te Enga­ge­ment von Euro­ga­te in Tan­ger sowie fünf ita­lie­ni­schen Häfen berück­sich­tigt oder die Tat­sa­che, dass der Ver­kauf des Hafens im grie­chi­schen Pirä­us an chi­ne­si­sche Inves­to­ren nur auf Druck der EU-Administration zustan­de gekom­men ist.

– Letz­ter Aspekt in die­sem Zusam­men­hang: Man­che Exper­ten reden bereits von einer bevor­ste­hen­den „Deglo­ba­li­sie­rung“, die durch Rück­ver­la­ge­rung der Pro­duk­ti­on hier kon­su­mier­ter Güter aus Fern­ost nach Ost­eu­ro­pa oder Nah­ost zwangs­läu­fig die Güter­ver­kehrs­strö­me umkrem­pelt – zum Nach­teil der Aus­las­tung von ARA- und deut­schen Nordsee-Häfen. „Wenn in zuneh­men­dem Maße bei­spiels­wei­se die Tex­til­in­dus­trie an die euro­päi­sche Peri­phe­rie zurück­kehrt“, skiz­zier­te kürz­lich Chris­toph Spehr in der WATERKANT ein Gespräch mit dem Rot­ter­da­mer ITF-Inspektor Gijs Mol, „weil die Arbeits­kos­ten in Chi­na stei­gen und in der Tür­kei, Nord­afri­ka oder Grie­chen­land fal­len, dann wird das auch die der­zei­ti­gen Han­dels­strö­me ver­än­dern. Von einem immer wei­te­ren Wachs­tum des glo­ba­len Con­tai­ner­ver­kehrs kön­ne jeden­falls nie­mand aus­ge­hen“ (18).

Zusam­men­fas­send: Von Hafen­aus­bau und Fahr­was­ser­ver­tie­fun­gen an der Deut­schen Bucht über Aus­bau von Ostsee- und Mit­tel­meer­hä­fen bis zum Kotau vor hoch­sub­ven­tio­nier­ten Ree­dern – alles, was die so genann­te Wett­be­werbs­si­tua­ti­on der deut­schen Häfen der­zeit beein­flusst und mög­li­cher­wei­se beein­träch­tigt, ist selbst ver­schul­de­tes, weil in hohem Maße aus Mit­teln der öffent­li­chen Hand finan­zier­tes Elend. Kein Kommunal- oder Lan­des­po­li­ti­ker und kein Beam­ter die­ser Admi­nis­tra­tio­nen soll­te des­halb in gro­ßes Weh­kla­gen ver­fal­len, son­dern zunächst ein­mal die Schuld bei sei­nes­glei­chen suchen. Und viel­leicht im nächs­ten Schritt dar­über nach­den­ken, ob es nicht im Inter­es­se der Hafen­stand­or­te, ihrer Men­schen in der Regi­on, ins­be­son­de­re der Beschäf­tig­ten der Häfen und der Logis­tik­bran­che, gebo­ten wäre, end­lich ein­mal über Koope­ra­ti­on zu reden.

Wohl­ge­merkt: ech­te Koope­ra­ti­on – das aktu­el­le „Natio­na­le Hafen­kon­zept 2015“ des Bun­des (9) benutzt die­sen Begriff zwar häu­fig, meint damit aber kei­ne Steu­er­geld und Res­sour­cen scho­nen­de Zusam­men­ar­beit. Das Regie­rungs­pa­pier ver­weist ledig­lich auf eini­ge Model­le, in denen betei­lig­te Küs­ten­län­der und Fach­res­sorts „gemein­sa­me Posi­tio­nen erar­bei­ten“ (9, S. 22), ohne des­halb auf Kon­kur­renz im Kampf um Ladung zu verzichten.

Seit rund 30 Jah­ren schon for­dern Bür­ger­initia­ti­ven und Umwelt­ver­bän­de in wech­seln­den Alli­an­zen ein Mit­ein­an­der der Häfen – ver­geb­lich. Wor­te wie „Ladungs­len­kung“ oder Ähn­li­ches sind für die Bran­che rote Tücher – für die Ree­der, weil sie Häfen, Hafen­be­trei­ber und Spe­di­teu­re nicht mehr gegen­ein­an­der aus­spie­len könn­ten; für die Häfen, weil ihnen ja die eine oder ande­re Ton­ne oder Box ent­ge­hen könn­te. Es mute­te sen­sa­tio­nell an, als es 1997 dem Ham­bur­ger Hafen­ma­na­ger Peter Diet­rich gelang, sei­ne Lan­des­re­gie­rung zum Vor­schlag einer Koope­ra­ti­on mit Bre­men zu bewe­gen. „Der Vor­stoß schei­ter­te jedoch am dama­li­gen Kon­kur­renz­den­ken Bre­mens“, bilan­zier­te Claas Wowries von der Ham­bur­ger Bundeswehr-Hochschule 2008 in sei­ner Dis­ser­ta­ti­on zur „Koope­ra­ti­on der nord­deut­schen Bun­des­län­der“ (19).

Ein natio­na­les Hafen­kon­zept, das den Bun­des­län­dern wei­ter­hin erlaubt, unab­hän­gig von­ein­an­der und in Kon­kur­renz ste­hend eine eigen­stän­di­ge Hafen­po­li­tik zu betrei­ben, kann nicht als Kon­zept für eine inte­grier­te Hafen­pla­nung durch­ge­hen“, schrieb Her­bert Nix vom Ham­bur­ger „För­der­kreis ‚Ret­tet die Elbe‘ e. V.“ als Mit­her­aus­ge­ber der Zeit­schrift WATERKANT ein Jahr spä­ter (20), damals bezo­gen auf das Hafen­kon­zept 2009 des Bun­des. Das gilt aber auch heu­te noch. Die im Grund­ge­setz fest­ge­schrie­be­ne „Län­der­ho­heit“ für die Hafen­pla­nung abzu­schaf­fen, sei unab­ding­bar, so Nix wei­ter: „Ein zukunfts­fä­hi­ges Hafen­kon­zept muss nicht nur die Fra­ge beant­wor­ten, ob und wie die ein­zel­nen Häfen unter volks­wirt­schaft­li­chen und sozia­len Aspek­ten kos­ten­de­ckend … arbei­ten könn­ten. Es muss auch geprüft wer­den, inwie­weit unter gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung – und das schließt die öko­lo­gi­schen Belan­ge zwin­gend ein – ein­zel­ne Häfen aus- oder rück­ge­baut wer­den kön­nen. Es müs­sen fer­ner die Mög­lich­kei­ten einer öko­lo­gisch und öko­no­misch sinn­vol­len Ladungs­len­kung und des Sub­ven­ti­ons­ab­baus eben­so gewis­sen­haft geprüft wer­den wie die Chan­cen und Fol­gen einer arbeits­tei­len­den Ver­net­zung zwi­schen den Häfen“ (20).

2013 prä­sen­tier­te das Bünd­nis „Leben­di­ge Tideel­be“, dem die Umwelt­ver­bän­de BUND, NABU und WWF ange­hö­ren, eine Stu­die des Logis­tik­for­schers Frank Orde­mann über ein „Sze­na­rio für eine See­ha­fen­ko­ope­ra­ti­on im Bereich des Con­tai­ner­ver­kehrs“ als „Alter­na­ti­ve zur Ver­tie­fung der Fluss­mün­dun­gen von Elbe und Weser“, in der es skur­ril­erwei­se unter ande­rem auch um Ladungs­len­kung geht, ohne die­ses Pfui-Wort auch nur ein­mal zu benut­zen (21). Aber für den Deut­schen Bun­des­tag war dies Anlass genug, 2015 von sei­nem wis­sen­schaft­li­chen „Fach­be­reich Euro­pa“ eine Stu­die erstel­len zu las­sen über „Hafen­ko­ope­ra­ti­on in Nord­deutsch­land im Lich­te des EU-Kartellrechts“ (22) – und die kam zu dem erstaun­li­chen Schluss, eine durch Ladungs­len­kung resul­tie­ren­de Markt­auf­tei­lung „wäre mit dem Kar­tell­ver­bot aller­dings nur dann unver­ein­bar, soweit dadurch bei­spiels­wei­se die Häfen Ams­ter­dam und Rot­ter­dam benach­tei­ligt wür­den und der End­ver­brau­cher letzt­lich aus weni­ger Ange­bo­ten wäh­len könn­te.“ Und abschlie­ßend: „Eine Zusam­men­ar­beit im Hafen­be­reich stellt somit jeden­falls nicht per se einen Ver­stoß gegen euro­päi­sches Kar­tell­recht dar – ob ein sol­cher vor­liegt, ist viel­mehr eine Fra­ge der kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung der vor­ge­schla­ge­nen Kooperation.“

Dumm nur, dass auch sol­che Stu­di­en im All­tag kei­ne nen­nens­wer­te Bedeu­tung ent­fal­ten konn­ten. Es gilt – gefühlt, nicht fak­tisch beleg­bar – auch hier der schon in den ers­ten bei­den Fol­gen die­ser Serie ver­mit­tel­te Ein­druck, dass es längst nicht genü­gend Druck „von unten“ gibt, um die Plün­de­rung öffent­li­cher Kas­sen durch die mari­ti­me Wirt­schaft zu brem­sen oder auch nur wirk­sam zu kon­trol­lie­ren. Im Kern müss­te es – wie zuge­ge­be­ner­ma­ßen in vie­len ande­ren Berei­chen auch – dar­um gehen, dass eine Bran­che es zu akzep­tie­ren hat, regu­liert zu wer­den, wenn sie öffent­li­che Mit­tel bean­sprucht: Wer zahlt, bestimmt die Nor­men. Poli­tik und Ver­wal­tung müs­sen drin­gend den Mumm auf­brin­gen, sol­che Regu­lie­rung über eige­ne Gren­zen und Struk­tu­ren hin­aus zu pro­jek­tie­ren und gegen­über der jewei­li­gen Bran­che auch durchzusetzen.

Schön wär‘s. Vor­erst bleibt fest­zu­hal­ten, dass ein gut orga­ni­sier­tes Netz­werk in mari­ti­mer Wirt­schaft plus Poli­tik und Ver­wal­tung einen ste­ti­gen Aus­bau von Häfen und Hafen­zu­fahr­ten eben­so vor­an­treibt wie wei­te­re Sub­ven­tio­nen für Schiff­fahrt oder Schiff­bau. Die öffent­li­che Kon­trol­le, die der­glei­chen eigent­lich regeln hel­fen soll­te, wird gekonnt mani­pu­liert: Für ein bestimm­tes Vor­ha­ben wird ein Gut­ach­ten in Auf­trag gege­ben, dass – je nach Umstän­den – die wirt­schaft­li­che Not­wen­dig­keit und / oder die öko­lo­gi­sche Ver­träg­lich­keit und / oder die regio­nal­po­li­ti­sche Bedeu­tung her­vor­hebt und bestä­tigt. Die­ses vom „Vor­ha­bens­trä­ger“ bestell­te und bezahl­te Gut­ach­ten fließt dann in das Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren ein und wird so qua­si unan­fecht­bar – selbst, sie­he oben, für höchs­te Gerich­te. Und selbst wenn spä­te­re Ent­wick­lun­gen, durch­aus auch noch wäh­rend der Umset­zung, die Daten­la­ge ver­än­dern, führt dies in der Regel nicht zu Neu­be­wer­tun­gen. Pole­misch for­mu­liert: Die Bedarfs­pro­gno­sen, die Millionen-Investitionen der öffent­li­chen Hand begrün­den und recht­fer­ti­gen, haben einen Hori­zont, der sel­ten mehr als weni­ge Kilo­me­ter weit reicht, erstre­cken sich dafür aber auf Zeit­räu­me, die sie zu Spö­ken­kie­ke­rei wer­den lassen.

Deutsch­lands zwölf größ­te See­hä­fen sind – in der Rei­hen­fol­ge ihres Güter­um­schlags – Ham­burg, Bremerhaven/Bremen, Wil­helms­ha­ven, Ros­tock, Lübeck, Bruns­büt­tel, Bra­ke, Stade-Bützfleth, Putt­gar­den, Emden, Kiel und Wis­mar (23). Hier und jetzt soll aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit nur auf die ers­ten drei geschaut wer­den – und auch dies nur frag­men­ta­risch. Die zuvor beschrie­be­ne Sys­te­ma­tik von Hafen­pla­nung, -bau und -betrieb kann dar­an gut ver­deut­licht werden.

Zunächst ein kur­zer Blick auf Ham­burg: Die Han­se­stadt ver­fügt über den größ­ten deut­schen See­ha­fen, nach Rot­ter­dam und Ant­wer­pen auf Platz 3 der euro­päi­schen Rang­lis­te. Nach Anga­ben der eige­nen PR-Gesellschaft „Hafen Ham­burg Mar­ke­ting“ erst­mals im 9. Jahr­hun­dert erwähnt (24), bezeich­net sich der Hafen heu­te als „Welt­ha­fen“ und mel­det für das ver­gan­ge­ne Jahr einen Gesamt­um­schlag von 137,8 Mil­lio­nen Ton­nen (25). Nach dem bis­he­ri­gen Maxi­mum von 145,7 Mil­lio­nen Ton­nen in 2014 ist das ein leich­ter Rück­gang; die Grün­de dafür spie­len in die­sem Zusam­men­hang nur teil­wei­se eine Rol­le: Ver­wie­sen wird auf Ein­brü­che im Russland-Geschäft wegen des Embar­gos, sicher sind jedoch auch die erwähn­ten Kapa­zi­täts­stei­ge­run­gen in Ostsee- und Mit­tel­meer­hä­fen in Betracht zu ziehen.

Wich­ti­ger aber ist die­ses: Der Welt­ha­fen ist für die Steu­er­zah­le­rIn­nen ein ganz tie­fes Loch, in dem die Euro-Milliarden noch weit­aus schnel­ler weg­ge­spült wer­den als schon im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert die D-Mark-Milliarden. Es ent­spricht han­sea­ti­scher Tra­di­ti­on – über Geld spricht man nicht –, dass genaue Details nicht aus­zu­ma­chen sind. Weder Poli­tik noch Ver­wal­tung und schon gar nicht die betei­lig­te Wirt­schaft sind je bereit gewe­sen, offen­zu­le­gen, wie viel Steu­er­geld eigent­lich in Bau und Unter­halt der Häfen und ihrer Infra­struk­tur steckt. Sicher ist nur, dass die Ein­nah­men über Pacht und Hafen­ge­büh­ren die­sen Auf­wand nicht annä­hernd decken. Zwar bemü­hen sich zivil­ge­sell­schaft­li­che Kräf­te wie der erwähn­te „För­der­kreis ‚Ret­tet die Elbe‘ e. V.“ oder „Ham­burg für die Elbe“, die Bür­ger­initia­ti­ve zum Schutz der Elbe, seit Jah­ren, immer mal wie­der Zah­len, derer sie hab­haft wer­den kön­nen, zu ver­knüp­fen und zu ver­öf­fent­li­chen (26). Aber von einem genau­en Über­blick oder gar einem belast­ba­ren Kennt­nis­stand kann nicht gere­det werden.

Mehr als 20 Jah­re dau­er­te der – lei­der ver­geb­li­che – Kampf der Men­schen im oben erwähn­ten Stadt­teil Alten­wer­der gegen die Ver­nich­tung ihres Dor­fes (27). An des­sen tra­di­ti­ons­rei­chen Namen erin­nert inzwi­schen nur noch die amt­li­che Bezeich­nung „Container-Terminal Alten­wer­der“ (CTA) – von 1997 bis 2002 wur­den vier Groß­schiffs­lie­ge­plät­ze an einer 1400 Meter lan­gen Kaje gebaut und dahin­ter rund 100 Hekt­ar Lager­ka­pa­zi­tät geschaf­fen. Wie vie­le Mil­li­ar­den D-Mark die Pla­nung mit allen Pro­zes­sen, die Enteignung/Abfindung/Umsiedlung der Men­schen, der Bau und wei­te­re Fol­gen gekos­tet haben, ist nicht exakt zu bezif­fern. Ori­en­tie­rung mag eine aktu­el­le Zahl bie­ten: Alten­wer­der ist ja nur eines von vie­len Bei­spie­len für teu­re Hafen­pla­nung in Ham­burg, zur Zeit ver­langt Euro­ga­te den Aus­bau sei­ner Kaje gegen­über von Övel­gön­ne – rund 1000 Meter Kajen­ver­län­ge­rung und 40 wei­te­re Hekt­ar Ter­mi­nal­flä­che sol­len die Steu­er­zah­ler ein­schließ­lich aller sons­ti­gen Auf­wen­dun­gen mehr als eine hal­be Mil­li­ar­de Euro kos­ten (28). Die Initia­ti­ve „Ham­burg für die Elbe“ hat die Kos­ten­de­ckung des Hafen­be­triebs auf läp­pi­sche 13 Pro­zent bezif­fert – errech­net aus der aktu­el­len Gewinn- und Ver­lust­rech­nung der Ham­burg Port Aut­ho­ri­ty (HPA) und den Ein­nah­men aus den Hafen­ge­büh­ren, die die Schiff­fahrt zu ent­rich­ten hat. Sar­kas­tisch weist die Initia­ti­ve dar­auf hin (29), dass der loka­le ÖPNV aus den Ticket­ver­käu­fen an die Bür­ge­rIn­nen eine Kos­ten­de­ckung von 90 Pro­zent erreicht…

Inwie­weit in die­sen Zah­len eins­ti­ge Bau­kos­ten in vol­lem Umfang berück­sich­tigt sind, ist eben­so wenig klar zu beant­wor­ten wie die Fra­ge nach den hun­der­ten Mil­lio­nen Euro, die jähr­lich für die Ent­schli­ckung der Ham­bur­ger Häfen samt den Fol­ge­kos­ten der Ver­klap­pung vor Hel­go­land ein­schließ­lich Aus­gleichs­zah­lun­gen auf­zu­brin­gen sind; die Krei­se und Kom­mu­nen an der Elb­mün­dung kon­fe­rie­ren gera­de wegen des aku­ten Pro­blems der zuneh­men­den Ver­schli­ckung ihrer Küs­ten, Strän­de und klei­nen Häfen durch das bag­ge­rungs­be­dingt ver­än­der­te Strö­mungs­ver­hal­ten der Elbe. Ein ver­gleich­ba­res Schlick­pro­blem bekla­gen übri­gens auch die Kom­mu­nen und Krei­se in der Umge­bung des Bre­mer­ha­ve­ner Container-Terminals, sowohl an der nörd­lich gele­ge­nen Wurs­ter Küs­te als auch gegen­über auf der Halb­in­sel Butjadingen.

Das Land Bre­men als Zwei-Städte-Staat hat­te sich im Zuge der Schiff­fahrts­ent­wick­lung eben­falls jahr­zehn­te­lang teu­re Fehl­pla­nun­gen geleis­tet, deren Gesamt­kos­ten aber nie kom­plett sal­diert wor­den sind. Tra­di­tio­nell ver­füg­te die Stadt Bre­men rela­tiv city­nah am rech­ten Weser­ufer über ein aus­ge­dehn­tes Are­al mit diver­sen Hafen­be­cken – Euro­pa­ha­fen, Über­see­ha­fen, Holz- und Fabri­ken­ha­fen, die sie­ben Indus­trie­hä­fen und ande­re mehr. Weil man das in Zei­ten des so genann­ten „Wirt­schafts­wun­ders“ für lang­fris­tig unzu­rei­chend hielt, wur­de ab 1960 der Neu­bau aus­ge­dehn­ter Hafen­an­la­gen links der Weser („Neu­städ­ter Häfen“) beschlos­sen – anfäng­li­che Kos­ten­kal­ku­la­ti­on 31,5 Mil­lio­nen D-Mark plus 27,5 Mil­lio­nen für Grund­stücks­käu­fe und -ent­eig­nun­gen. Trotz dies­be­züg­li­cher juris­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen wur­de zügig gebaut, schon im Febru­ar 1964 das ers­te Schiff abge­fer­tigt, im Okto­ber 1966 der Con­tai­ner­um­schlag begon­nen, zwei Jah­re spä­ter, im Novem­ber 1968, der 100.000 gelösch­te Con­tai­ner beju­belt (30). Na, ja – das war‘s dann auch. Drei der fünf geplan­ten Hafen­be­cken wur­den nie gebaut, das zwei­te irgend­wann zuge­schüt­tet – Pro­jekt­ge­samt­kos­ten offen. Das­sel­be Schick­sal erleb­te Ende der 1990er Jah­re auch der Über­see­ha­fen – ver­füllt und zu einer Yuppie-Wohn- und -Büro­stadt aus­ge­baut, sozu­sa­gen am Ufer eines zum Sport­boot­ha­fen umge­wid­me­ten Ex-Europahafens.

Statt­des­sen wur­de ab Ende der 1960er Jah­re wegen der damals schon grö­ßer wer­den­den Schif­fe der Con­tai­ner­um­schlag nach Bre­mer­ha­ven ver­la­gert: 1968 begann der Bau des ers­ten, 700 Meter lan­gen Teils der so genann­ten „Strom­ka­je“, eines Container-Terminals (CT) direkt am see­sei­ti­gen Außen­we­se­r­ufer, 1971 bereits wur­de sie in Betrieb genom­men. In den Fol­ge­jahr­zehn­ten wur­de die­se Kaje in vier Planungs- und Bau­ab­schnit­ten nach Nor­den – sie­he oben: bis zur Lan­des­gren­ze – auf ins­ge­samt knapp fünf Kilo­me­ter ver­län­gert; dazu gehö­ren rund 300 Hekt­ar Lager­flä­che. Auch hier gilt: Die Gesamt­kos­ten die­ser Pro­jek­te sind nicht exakt zu bezif­fern, nur frag­men­ta­risch kön­nen Ein­zel­wer­te einen Ein­druck vermitteln.

Als Mit­te der 1990er Jah­re die Aus­bau­stu­fe „CT III“ gebaut wur­de, schrieb der Schiff­fahrts­öko­nom Robert Kap­pel in der WATERKANT: „Aus öffent­li­chen Mit­teln wur­den … von 1969 bis 1983 etwa 660 Mil­lio­nen Mark zur Ver­fü­gung gestellt. Der jet­zi­ge Aus­bau … soll ins­ge­samt 700 Mil­lio­nen Mark und die (dafür vor­ge­se­he­ne, Anm. d. A.) Außen­we­ser­ver­tie­fung etwa 86 Mil­lio­nen Mark kos­ten“ (31). Ergän­zend hin­zu­zie­hen kann man hier eine Stu­die der Arbeit­neh­mer­kam­mer Bre­men aus dem Jah­re 2004: „CT III a wur­de im Novem­ber 2003 fer­tig­ge­stellt. (…) Die vom Land Bre­men über­nom­me­nen Inves­ti­ti­ons­kos­ten betra­gen 97 Mil­lio­nen Euro. (…) Die Kos­ten für das Pro­jekt CT IV lie­gen bei 498 Mil­lio­nen Euro. (…) CT IV wird … ein­schließ­lich der Kre­dit­kos­ten einen finan­zi­el­len Auf­wand von etwa einer Mil­li­ar­de Euro ver­ur­sa­chen. (…) Bis 2047 wird nach der der­zei­ti­gen Rech­nung jähr­lich ein Betrag von 16,8 Mil­lio­nen Euro für Zins und Til­gung auf­ge­wen­det wer­den müs­sen“ (32).

Obwohl die vor der letz­ten Aus­bau­stu­fe CT IV erstell­ten Umschlag­pro­gno­sen ver­blüf­fend nahe an der Rea­li­tät lagen, ja, punk­tu­ell sogar von ihr über­holt wer­den – für 2015 waren an der „Strom­ka­je“ 5,14 Mil­lio­nen TEU vor­her­ge­sagt (32), tat­säch­lich wur­den nach Anga­ben der Hafen­ge­sell­schaft „bre­men­ports“ 5,48 Mil­lio­nen TEU umge­schla­gen (33) –, gilt auch für Bre­men und Bre­mer­ha­ven, wenn­gleich nicht akut bezif­fer­bar, die Aus­sa­ge, dass die Kos­ten der Häfen ein­schließ­lich Unter­halt und Bag­ge­run­gen his­to­risch wie aktu­ell nicht annä­hernd von den Ein­nah­men durch Hafen­ge­büh­ren gedeckt, geschwei­ge denn pro­fi­ta­bel über­trof­fen wer­den. Mehr noch: „Die Inves­ti­tio­nen in die Con­tai­ner­ter­mi­nals erfol­gen vor dem Hin­ter­grund, dass die bre­mi­schen Häfen als ‚Säu­len der regio­na­len Wert­schöp­fung‘ ange­se­hen wer­den. Die Ansicht, dass ein voll aus­ge­las­te­ter Hafen Grund­la­ge für eine pro­spe­rie­ren­de regio­na­le Wirt­schaft ist, ist inzwi­schen … aller­dings über­holt“ (33).

Wel­che skur­ri­len Blü­ten das trei­ben kann, ist gera­de am Bei­spiel Bre­mer­ha­vens zu bele­gen, wenn man auf den aktu­el­len Streit um den geplan­ten „Offshore-Terminal Bre­mer­ha­ven“ (OTB) schaut: Lokal­po­li­ti­ker hofie­ren die ört­li­che Wind­kraft­bran­che und ver­spre­chen ihr zwecks Sen­kung ihrer betrieb­li­chen Kos­ten einen Spe­zi­al­ha­fen für Ver­schif­fung ihrer Anla­gen. Die erstell­ten Bedarfs-Prognosen sind zwei­fel­haft, es fin­det sich weder für Pla­nung und Bau noch Betrieb in meh­re­ren Aus­schrei­bun­gen irgend­ein Inter­es­sent. Schließ­lich über­nimmt die öffent­li­che Hand selbst das – nach ihren eige­nen Schät­zun­gen – 180 Mil­lio­nen Euro teu­re Pro­jekt, schließt einen Regio­nal­flug­ha­fen, des­sen Lan­de­bahn als Hafen­zu­fahrt benö­tigt wird, ver­treibt so ansäs­si­ge gewerb­li­che wie Hobby-Flieger und plant einen Hafen in einem Are­al, das sie zuvor zur Naturschutz-Ausgleichsfläche für CT IV erklärt hat­te. Prompt wird ihr Vor­ha­ben gericht­lich gestoppt, mitt­ler­wei­le sind wesent­li­che Offshore-Windkraft-Firmen aus exter­nen Grün­den insol­vent, poten­te Kon­kur­ren­ten wie Sie­mens sie­deln sich 40 Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich in Cux­ha­ven an – und den­noch hal­ten die Lokal­po­li­ti­ker des Haushalts-Notlage-Bundeslands Bre­men unver­dros­sen und unge­straft an ihrer Mil­lio­nen Steu­er­gel­der ver­schlin­gen­den Pla­nung fest. Wenn nicht die Jus­tiz das Pro­jekt noch end­gül­tig unter­bin­den soll­te, wird in den nächs­ten Jah­ren ein Schwer­last­ha­fen in die Weser gebaut, den nie­mand wirk­lich braucht (34) – und für des­sen Miss­erfolg (und / oder Über­teue­rung durch Fehl­pla­nung) auch nie­mand die Ver­ant­wor­tung über­neh­men muss.

Bleibt zum Schluss, sozu­sa­gen als Krö­nung die­ser frag­men­ta­ri­schen Steu­er­geld­ver­schwen­dungs­bi­lanz dank lokal­po­li­ti­scher Ver­fil­zun­gen mit – und Rück­grat­lo­sig­keit gegen­über – der mari­ti­men Bran­che, das Pro­jekt „Jade­We­ser­Port“ (JWP) in Wil­helms­ha­ven zu erwäh­nen. Dies kann an die­ser Stel­le auf weni­ge Absät­ze beschränkt blei­ben, weil der Nord­deut­sche Rund­funk (NDR) in sel­te­ner Akri­bie eine Chro­no­lo­gie die­ses Pro­jekts im Inter­net ver­füg­bar hält, in der jede und jeder die Details nach­le­sen kann (35).

Nach­dem schon Ende des ver­gan­ge­nen Jahr­tau­sends die Stim­men immer lau­ter wur­den, dass Deutsch­land unbe­dingt auf die anhal­ten­de Schiffs­grö­ßen­ent­wick­lung – sie­he oben – vor­be­rei­tet wer­den müs­se, beschlos­sen 2002 die Län­der Bre­men und Nie­der­sach­sen, gemein­sam an der Jade einen Tief­was­ser­ha­fen zu bau­en. Vor­aus­ge­gan­gen waren – sie­he oben – Über­le­gun­gen, gemein­sam mit Ham­burg solch ein Pro­jekt zu stem­men; vor­über­ge­hend war auch Cux­ha­ven als Alter­na­tiv­stand­ort im Gespräch (36).

Es begann eine Peri­ode gera­de­zu chao­ti­scher Pla­nun­gen, Aus­schrei­bun­gen und Ver­ga­be­strei­tig­kei­ten, gefolgt von einer Bau­pha­se mit wie­der­um juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, Fir­men­ge­r­an­gel und zeit­rau­ben­den Pan­nen wegen Bau­pfuschs an der Kaje (37). Am 21. Sep­tem­ber 2012 schließ­lich wur­de der Hafen in Betrieb genom­men und düm­pelt seit­her völ­lig unaus­ge­las­tet vor sich hin. Aus­ge­legt für einen Umschlag von 2,7 Mil­lio­nen TEU pro Jahr, wur­den anfangs nur weni­ge tau­send Con­tai­ner umge­schla­gen. Für das Jahr 2015 wur­den amt­lich 426.700 TEU bilan­ziert – aller­dings bedür­fen die­se Zah­len einer kur­zen Erläu­te­rung: Wie in vie­len (wenn nicht allen) ande­ren Häfen auch, wer­den im JWP Boxen oft­mals dop­pelt gezählt (sie­he oben, Anm. 16) – ein­mal als Ein­gang, wenn sie von einem Schiff gelöscht und auf die Kaje gesetzt, ein­mal als Aus­gang, wenn sie von der Kaje auf ein ande­res Schiff gela­den wer­den (25, 33).

Die Ham­bur­ger Häfen bei­spiels­wei­se waren und sind, wie bereits ange­ris­sen, stark in der Orga­ni­sa­ti­on so genann­ter „Feeder“-Verkehre: Inter­kon­ti­nen­ta­le Mega-Carrier brin­gen Fracht aus Über­see, an der Elbe wird sie – mit oder ohne Zwi­schen­la­ge­rung im Ter­mi­nal – auf klei­ne­re Schif­fe umge­la­den und via Nord-Ostsee-Kanal wei­ter trans­por­tiert. Gera­de beim JWP aber wirkt die­se Zähl­wei­se als Ver­fäl­schung der Ergeb­nis­se, denn die­ser Hafen ist aus­drück­lich gebaut wor­den für jene Mega-Carrier, die wegen ihrer angeb­lich vie­len Boxen und hohen Tief­gän­ge nicht oder nur mit War­te­zei­ten Bre­mer­ha­ven oder Ham­burg anlau­fen kön­nen. Und eben dies ist wie­der­um Pro­pa­gan­da: Wegen der logis­ti­schen Ket­te lau­fen bis­lang Mega-Carrier nie voll abge­la­den in Weser oder Elbe ein; bis heu­te steht der JWP nur in den Fahr­plä­nen von zwei oder drei Lini­en, hat also auch nicht mehr Groß­schiffs­an­läu­fe pro Woche, der Rest sind wie­der­um Fee­der. Und zudem deu­ten die oft nur mäßig vari­ie­ren­den Abla­de­tie­fen der Groß­schif­fe bei Ein- und Aus­gang dar­auf hin, dass der JWP ger­ne als Zwi­schen­la­ger für Leer­con­tai­ner genutzt wird – von Wert­schöp­fung kann da kaum gespro­chen werden.

Der Jade­We­ser­Port hat bes­te Chan­cen, als Riesen-Flop in die Geschich­te ein­zu­ge­hen. Auch Jah­re nach Inbe­trieb­nah­me ist nicht erkenn­bar, dass wesent­li­che Lini­en­ver­keh­re der glo­ba­len Con­tai­ner­schiff­fahrt hier­her umge­lenkt oder gar neu ein­ge­rich­tet wer­den. Das hat zu tun sowohl mit den erwähn­ten bewähr­ten Logis­tik­ket­ten als auch mit der anhal­ten­den Schiff­fahrts­kri­se ins­ge­samt. Trotz­dem trei­ben die Eig­ner­län­der Nie­der­sach­sen und Bre­men die Erwei­te­rung über die 2,7-Millionen-TEU-Kapazitätsgrenze hin­aus bereits heu­te pla­ne­risch vor­an. Und obwohl das bis­he­ri­ge JWP-Abenteuer die Steu­er­zah­ler mehr als eine Mil­li­ar­de Euro gekos­tet hat, muss der Betrieb jähr­lich mil­lio­nen­schwer bezu­schusst wer­den. Aktu­ell hat sogar die EU-Kommission dies abge­seg­net, indem sie eine Beschwer­de des EU-Rechnungshofs zurück­wies (38). Es war bei Redak­ti­ons­schluss noch unklar, ob die Prü­fer sich damit zufrie­den geben.

Denn die – das ist die gute Nach­richt zum Abschluss die­ses Bei­trags – haben die öffent­li­che Bezu­schus­sung der Häfen und des gesam­ten See­ver­kehrs im Visier. Im Sep­tem­ber 2016 hat der Rech­nungs­hof einen „Son­der­be­richt“ vor­ge­legt, der die euro­pa­weit getä­tig­ten und von der EU kofi­nan­zier­te Milliarden-Investitionen in Hafen­in­fra­struk­tur als „unwirk­sam und nicht nach­hal­tig“ bezeich­net. Nicht nur die Mit­glieds­staa­ten, auch die EU-Kommission selbst wer­den scharf kri­ti­siert – die „ange­nom­me­nen Ent­wick­lungs­stra­te­gien für die Häfen“ ent­hiel­ten „kei­ne aus­rei­chen­den Infor­ma­tio­nen …, um eine wirk­sa­me Kapa­zi­täts­pla­nung zu ermög­li­chen“ (39).
Die schlech­te Nach­richt wäre die­se: Die Kri­tik ver­pufft im All­tag der Euro­päi­schen Uni­on und im all­zu trau­ten Mit­ein­an­der von mari­ti­mer Bran­che, Poli­tik und Ver­wal­tung wie schon vie­le Ver­schwen­dungs­kri­ti­ken zuvor. Viel­leicht tra­gen die­se Zei­len ja dazu bei, das zu verhindern…

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bit­te © Copy­right beach­ten, dan­ke: kei­ne Ver­wen­dung ohne Zustim­mung des Autors, Burk­hard Ilsch­ner, sowie der Zeit­schrift BIG Busi­ness Crime!
Die­ser Text ent­stand Anfang Okto­ber 2015, bit­te bei ver­wen­de­ten Daten berücksichtigen.

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Anmer­kun­gen:
* Der Autor ist ver­ant­wort­li­cher Redak­teur der Zeit­schrift WATERKANT.
1. Die bei­den ers­ten Tei­le die­ser Serie sind in Heft 2 / 2015 (Schiff­bau und Werf­ten) und 4 / 2015 (Ree­der und See­leu­te) erschie­nen. Wei­te­re Fol­gen sind geplant, Nähe­res sie­he 2 / 2015, S. 17. – Es geht in die­ser Serie um Sub­ven­tio­nen und Begüns­ti­gun­gen wirt­schaft­li­chen Han­delns, die durch effek­ti­ve poli­ti­sche Ver­net­zung jeweils legal abge­si­chert wur­den – nicht um Kor­rup­ti­on im straf­recht­li­chen Sin­ne: Die Gren­zen zwi­schen dem einen und dem ande­ren Aspekt zu bewer­ten, sei der kri­ti­schen Phan­ta­sie der Leser überlassen…

2. Wil­helm, Frau­ke: „Die Taschen waren vol­ler Geld“ – Hafen- und Rot­licht­ge­schich­ten von der Bre­mer „Küs­te“ in den 50er und 60er Jah­ren; Bre­men, 2011; Edi­ti­on Tem­men; ISBN 978‑3‑83781‑026‑4.

3. Jans­sen, Peer: „Ding und Un-Ding zugleich“ – Vor 50 Jah­ren begann die Container-Ära auch in deut­schen Häfen – und ver­än­der­te sie; in: WATERKANT, Jg. 31, Heft 2 (Juni 2016), Sei­te 31 f.; Ilsch­ner, Burk­hard: „Die Büch­sen der Fair­land“; in: Tages­zei­tung „jun­ge Welt“ vom 5. Juni 2016.

4. Geff­ken, Rolf : „Arbeit und Arbeits­kampf im Hafen“ – Zur Geschich­te der Hafen­ar­beit und der Hafen­ar­bei­ter­ge­werk­schaft; Bre­men, 2015; Ver­lag: Edi­ti­on Fal­ken­berg, geför­dert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nie­der­sach­sen e. V.; ISBN 978‑3‑95494‑053‑0.
Kurz­über­blick zur His­to­rie von Hafen­ar­beit: http://kurzlink.de/aul_hafen, unda­tier­tes Manu­skript der Bil­dungs­ver­ei­ni­gung „Arbeit und Leben“ (Bre­men).

5. http://kurzlink.de/wsv_wasserwege

6. Olt­manns, Jan: „Kri­mi­na­li­siert und ent­wür­digt“ – Die Umset­zung des ISPS-Code ter­ro­ri­siert die See­leu­te; in. WATERKANT, Jg. 20, Heft 4 (Dezem­ber 2005), Sei­te 19.

7. Es geht in die­sem Bei­trag – Stich­wort: mari­ti­me Wirt­schaft – um die See­hä­fen mit über­wie­gend inter­na­tio­na­lem bezie­hungs­wei­se inter­kon­ti­nen­ta­lem Ver­kehr. Vie­les mag auch auf gro­ße und mitt­le­re Bin­nen­hä­fen über­trag­bar sein, aber dies und mög­li­che Unter­schie­de sei­en hier ausgeklammert.

8. http://kurzlink.de/zeit_51-10_hm

9. http://kurzlink.de/nhk_2015

10. See­ver­kehrs­pro­gno­se des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums, 2007: http://kurzlink.de/prog_2007-3

11. Für den Mit­tel­ha­fen Brake/Unterweser bei­spiels­wei­se lässt sich sta­tis­tisch (eige­ne Daten­er­fas­sung WATERKANT) bele­gen, dass in den ers­ten acht Mona­ten die­ses Jah­res von gut 700 ein- und aus­ge­lau­fe­nen See­schif­fen nur 3,76 Pro­zent mehr als zehn Meter Tief­gang hat­ten – und ledig­lich elf Schif­fe nutz­ten den zur Zeit maxi­ma­len Tief­gang von 11,9 Metern aus.

12. mehr sie­he WATERKANT, Jg. 31, Heft 3 (Sep­tem­ber 2016), Sei­te 11 ff.

13. http://kurzlink.de/oecd_mega-ships

14. http://kurzlink.de/allianz_mega-ships

15. Mal­chows The­sen wer­den oft zitiert, hier nur drei von vie­len Links zur wei­te­ren Infor­ma­ti­on: http://kurzlink.de/malchow_mm; http://kurzlink.de/malchow_faz; http://kurzlink.de/malchow_wr.

16. http://kurzlink.de/welt_hh-pl_151101

17. http://kurzlink.de/teu_prognose – die Zusam­men­stel­lung stammt übri­gens iro­ni­scher­wei­se vom unaus­ge­las­te­ten JWP, genau­er: der JadeWeserPort-Marketing GmbH & Co. KG.

18. WATERKANT, Jg. 31, Heft 3 (Sep­tem­ber 2016), Sei­te 10 – das Kür­zel ITF steht für die Dach­ge­werk­schaft Inter­na­tio­na­le Transportarbeiter-Föderation.

19. http://kurzlink.de/wowries_biblio; ISBN 978-3-631-58017-2

20. WATERKANT, Jg. 24, Heft 3 (Sep­tem­ber 2009), Sei­te 3

21. http://kurzlink.de/studie_hafenkoop

22. http://kurzlink.de/bt_studie-hafenkoop

23. Der Zen­tral­ver­band Deut­scher See­ha­fen­be­trie­be ver­öf­fent­licht hier­zu kon­ti­nu­ier­lich die amt­li­chen Zah­len des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes; http://kurzlink.de/zds_statistik.

24. https://www.hafen-hamburg.de/de/geschichte

25. https://www.hafen-hamburg.de/de/statistiken/seegueterumschlag

26. Auf den Web­sei­ten der bei­den genann­ten Initia­ti­ven fin­den sich an ver­schie­de­nen Stel­len teil­wei­se sehr aus­führ­li­che Abhand­lun­gen über Geschich­te, Kosten-Nutzen-Relationen und aktu­el­le Ent­wick­lun­gen des Ham­bur­ger Hafens: http://rettet-die-elbe.de und http://www.hamburg-fuer-die-elbe.de.

27. WATERKANT, Jg. 12, Heft 2 (Juni 1997), Sei­te 30 ff.

28. WATERKANT, Jg. 30, Heft 1 (März 2015), Sei­te 31 f.

29. http://www.hamburg-fuer-die-elbe.de/?p=10642

30. Patemann, Rein­hard: Bre­mi­sche Chro­nik 1957-1970, 3-7961-1655-8

31. WATERKANT, Jg. 10, Heft 3 (Sep­tem­ber 1995), Sei­te 19 ff.

32. Salot, Mari­on: „Hafen­ko­ope­ra­ti­on als Zukunfts­stra­te­gie?“; Stu­die der Arbeit­neh­mer­kam­mer Bre­men, 2004: http://kurzlink.de/salot_haefenstudie

33. http://kurzlink.de/bports_umschlag1

34. WATERKANT, Jg. 31, Heft 2 (Juni 2016), Sei­te 29 f.

35. http://kurzlink.de/ndr_jwp-chron

36. http://kurzlink.de/tiefwasser_cux

37. WATERKANT, Jg. 27, Heft 1 (März 2012), Sei­te 22; Heft 2 (Juni 2012), Sei­te 29 ff.

38. http://kurzlink.de/spiegel_jwp-eu

39. http://kurzlink.de/eca_haefen